Was treibt unser Leben an? Gibt es ein übergeordnetes Konzept für unsere biografische Entwicklung? Was ist determiniert? Was ist Zufall?

Früher hatte man es einfach, darauf Antworten zu finden. Gott war zuständig für all das, was wir nicht wissen. Aber diese Gottes-Idee ist dabei, sich zu verabschieden. Inzwischen sind nur noch weniger als fünfzig Prozent der Menschen in Deutschland kirchlich gebunden.

Wer meditiert, kommt unvermeidlicherweise irgendwann an diese existenziellen Fragen. Was ist mein persönlicher Spielraum, mein eigenes Leben zu gestalten – und was ist schon vorprogrammiert durch unsere evolutionäre Vergangenheit? Für den Erfolgstypen ist das klar: Das Ich ist der Gestalter des Lebens. Oder andersherum: Du bist verantwortlich für den Erfolg deines Lebens.

Aber stimmt das wirklich? Wesentliche Aspekte unseres Lebens haben wir uns jedenfalls nicht selbst ausgesucht. Wir werden geboren in eine Zeit, in äußere Umstände und mit einer genetischen Prägung, auf die wir keinerlei Einfluss hatten. Alle wesentliche Aspekte unseres Lebens sind „systembedingt“ vorgegeben. Ist dadurch nicht auch der Verlauf unseres Lebens bereits wesentlich geprägt? Bildlich gesprochen: Sind wir vielleicht nur wie in einem endlosen Eisenbahnzug der Evolution unterwegs, ohne dass wir Zeit und Ziel frei bestimmen können – höchstens, dass wir vom Platz aufstehen und ein paar Meter durch den Zug laufen können? Ist unsere Freiheit nur ein schöner Selbstbetrug, die Illusion, von der die meisten Weisheitstraditionen berichten?

Vieles spricht dafür: Die Evolution regiert das Sein. Für Welt der Tiere nehmen wir diesen Satz widerspruchslos hin. Aber der Mensch ...?! Der ist letztlich auch weitestgehend ein Tier. Unser Bewusstsein ist der einzige Unterschied. Und mit diesem Bewusstsein sind wir in der Lage, das Wesentliche des Lebens zu erkennen: unsere Verbundenheit. Wir sind individuell, einzigartig, genial – aber letztlich immer verbunden. Nichts ist möglich ohne den Bezug zu der Welt, in die wir hineingeboren wurden. Das Ich muss erkennen, dass es Nichts ist ohne die Einbindung in diese Welt und damit in das Universum.

Wozu ist das gut? Ein wesentlicher Teil unserer Biografie ergibt sich ganz einfach schicksalhaft aus den Vorgaben unserer Vergangenheit. Um den müssen wir uns nicht besonders kümmern, es geschieht einfach. Der Frei-Raum, den wir als wesentlichen Charakter des Menschseins in Anspruch nehmen, liegt deshalb nicht im Äußeren – auch wenn wir das nicht gerne wahrhaben wollen – sondern in unserem Inneren, in unserem Wesen. Es scheint das Koan unseres Lebens zu sein, herauszufinden, wie wir uns möglichst reibungslos in unser äußeres Schicksal* einfügen, um gleichzeitig die Seligkeit der Verbundenheit im Inneren zu erfahren.

Diese Verbundenheit nennt man übrigens auch die Liebe.

Gassho
Paul