Die Rockband Tocotronic hat soeben ihr neuestes Album veröffentlicht. Das heißt Die Unendlichkeit. Darin geht es sinnigerweise auch um das Thema Angst.

Vielleicht geht es dir auch so? Was löst das Wort „Unendlichkeit“ in dir aus? Ich finde es faszinierend, ja magisch, aber auch sehr beunruhigend. Unendlichkeit ist schließlich das Gegenteil von Zeit. Mit dem Begriff „Zeit“ haben wir uns arrangiert. Wir haben keine Zeit, wir schenken jemandem Zeit, die Zeit heilt viele Wunden, Zeit ist Geld und so weiter. Wir tun so, als ob wir Zeit nehmen oder geben könnten, wie eine Sache.

Auf die Frage, hast du vielleicht mal Zeit, können wir auch ohne langes Nachdenken mit Ja oder mit Nein antworten. Und wir wissen, dass beide Antworten nicht stimmen. Denn niemand hat Zeit, sie ist ein Konstrukt, der Unendlichkeit entnommen. Ich finde, das klingt ziemlich beunruhigend, ja Angst einflößend. Schließlich ist es offensichtlich so, dass unser ganzes Leben von etwas dominiert wird, das es überhaupt nicht gibt. Zeit als der Versuch, aus der Unendlichkeit ein Stück herauszuschneiden, hat aber auch etwas Komisches. Stell dir doch einfach einmal in diesem Moment die Unendlichkeit vor… Ziemlich irre, oder? Natürlich wird das nicht funktionieren. Denn Unendlichkeit ist ohne jede Form, eben ohne Anfang und ohne Ende. Vielleicht fragst du dich jetzt schon etwas genervt, was hat das mit mir und meinem Leben zu tun? Wenn das Thema Zeit für dich nicht wichtig ist, dann sind meine Überlegungen für dich in der Tat Zeitverschwendung. Nach meiner Erfahrung ist jedoch für nahezu alle Menschen die Zeit der entscheidende Treiber oder Blockierer im Leben. Deshalb, so meine ich, wird es sich lohnen, das Geheimnis der Zeit zu lüften.

Die Zeit ist ja nur erfahrbar durch Veränderungen. Veränderungen in der Natur nennen wir Jahreszeiten. Die Veränderungen unserer Person nennen wir Lebenszeit. Dabei erkennen wir, ohne Veränderungen: keine Zeit. Ohne Zeit: Unendlichkeit. Wenn wir also Zeit wahrnehmen, dann nehmen wir immer nur Veränderung war. Der gute alte Sekundenzeiger macht das auf einfachste Weise deutlich.

Wenn wir also die Zeit durchschauen wollen, sollten wir uns mit den Veränderungen befassen. Keine Zeit haben heißt dann, hohe Veränderungsgeschwindigkeit. Viel Zeit haben, heißt es ändert sich alles sehr langsam. Diese Abhängigkeit von Zeit und Geschwindigkeit ist bekanntlich der Kern der Relativitätstheorie von Albert Einstein. Erst die Unendlichkeit erlöst uns aus diesem Dilemma der Zeit. Denn Unendlichkeit bedeutet ja, dass es kein Ende gibt, dass alle diese Veränderungen, die wir als Zeit wahrnehmen, unendlich sind. Und wenn sie unendlich sind, dann brauchen wir auch keine Angst mehr zu haben vor dem sogenannten Ende, weil es das dann nicht geben kann. „Ich“ bin ohne Anfang und ohne Ende. Hat doch was Großartiges, oder? Zumindest ist es entspannend, weil der ganze Zeitdruck plötzlich weg ist. Also deshalb, viel Freude in der Unendlichkeit.

Paul

PS: Beim nächsten Mal stelle ich dir dann eine spannende und trotzdem super einfache Übung vor, „Das Weltraum Ohr“, mit der du vielleicht eine Idee bekommen kannst, wie das mit der Unendlichkeit ist.

Foto: splashbase