Die Sehnsucht nach Heilung ist so alt wie die Menschheit. Heilung, im englischen Healing, meint jedoch gerade nicht nur die körperliche Gesundheit. Heilung versteht sich als ein Ganz-sein im umfassenden Sinne. Wir alle wissen, Körper und Geist sind vergänglich. Irgendwann sind sie am Ende. Was bleibt dann? Alle großen religiösen Traditionen haben sich über diese Frage Gedanken gemacht – und sehr unterschiedliche Antworten gefunden. Das einzig Gemeinsame ist jedoch die Idee, dass es „irgendwie weitergeht“. Naturwissenschaftlich ist das bis heute jedoch nicht zu belegen. Allerdings kennen wir aus der Menschheitsgeschichte zahlreiche naturwissenschaftliche Überraschungen. Dass die Erde eine Kugel ist, und nicht etwa flach – dass sie sich um die Sonne dreht, und nicht etwa umgekehrt, das sind nur zwei Beispiele dafür.

Dennoch, bei der Antwort auf die Frage, was heißt Heil-Sein in einem ganzheitlichen Sinne, sind wir immer noch auf die Weisheit angewiesen. Auf der rationalen Ebene muss alles Spekulation bleiben. Ein bildhaftes Modell kann uns jedoch helfen, in den verschiedenen Weisheitstraditionen das Gemeinsame zu entdecken.

Wenn wir uns einmal vorstellen, dass Mensch-sein vor allem ein energetisches Konstrukt bedeutet, dann kommen wir rasch zu der Erkenntnis, dass Energie nicht vergeht, sondern sich nur wandelt. Der Mensch als eine Form von Energie würde nach diesem Modell für immer bestehen – lediglich seine Form wandeln. Die hinduistische/buddhistische Idee der Wiedergeburt ist dann der Versuch, ein verstehbares Bild davon zu entwickeln. Im Christentum und im Islam ist es der Himmel, der den Menschen Ewigkeit verleiht. Auch das ist nicht die Wirklichkeit, sondern nur ein Bild um das Prinzip verstehbar zu machen.

Nun lassen sich nahezu alle Fragen zur menschlichen Existenz durch Selbst-Wahrnehmung beantworten. Auf diese Weise sind die griechischen Philosophen zu ihren Erkenntnissen gekommen, aber auch Laotse, oder Buddha. Und wenn Jesus auffordert „Liebe den Nächsten wie dich selbst“, dann steht auch hier die Selbst-Reflexion im Zentrum.
Insbesondere in den indischen Traditionen ist die Form der Erkenntnisgewinnung durch Selbst-Reflexion besonders weit entwickelt worden. Wenn man einmal den Blick dafür geöffnet hat, sind die Analogien, also die Entsprechungen, in der Tat verblüffend. Dann zeigt sich, wie unser Körper ein perfektes Abbild der gesamten Welt, des gesamten Universums ist.
Hier nur zwei Beispiele: Unten, das ist dort wo der Boden ist, die Erde. Das ist die Materie, das Materielle, das Dunkle. Aus christlicher Perspektive entspricht das der Hölle.
Oben, das ist dort wo das Luftige, das Endlose ist, das Licht. Die Weite des Universums – christlich gesehen der Himmel.

Der Mensch geht, seit sich sein Bewusstsein entwickelt hat, aufrecht. Denn er ist das einzige Wesen, das konsequent zwischen unten und oben, zwischen Materie und Geist eingespannt ist. So ist es kein Wunder, dass die unteren Bereiche des Körpers eher der Materie zugeordnet werden – und die oberen Bereiche des Körpers dem Geist. Das klingt banal, weil wir uns über die Bedeutung dieser Erkenntnis meistens nicht klar geworden sind. Diese Erkenntnis heißt, solange wir Körper sind – also solange wir konventionell irdische Wesen sind – sind wir als Mensch eingespannt zwischen dem Irdischen und dem Geistigen. Wir können weder zurück zum rein Materiellen, dem Irdischen. Wir können aber auch nicht nur Geistwesen sein. Das meiste Unheil des Menschen entsteht dadurch, dass er verzweifelt versucht, sein Heil einseitig zu finden - entweder in der materiellen Welt, oder in der geistigen Welt. Das wird jedoch niemals gelingen. Erst die Integration von Materiellem und Geistigem schafft Heil.

Die im alten Indien entstandene Idee der sogenannten „Chakren“ greift diese Erkenntnis auf und zeigt die verschiedenen Analogien der Körperregionen zur gesamten Schöpfung. So ist es ja nahe liegend, dass der Brustraum eine Analogie zum Thema Luft hat, ganz einfach, weil die „Luftpumpe“, die Lungen, hier ihren Platz haben. Und dass der untere Bauchraum eine Analogie zum Thema Wasser hat, ist auch leicht nachzuvollziehen, wenn wir nur an Magen, Nieren, Blase denken... Wir finden also die physikalischen Elemente, nämlich Erde, Wasser, Feuer, Luft, Äther in einer perfekten Entsprechung mit jeweiligen Körperregionen. Auch energetisch haben erkennen wir ebenfalls diese Entsprechungen. Die „grobstofflichen“, eher materiellen Schwingungen sind eher im unteren Bereich des Körpers – die „feinstofflichen“, die geistigen, sind eher im oberen. Dabei wird rasch deutlich, dass es sich um Schwerpunkte handelt, um eine Tendenz. Denn natürlich sind auch im oberen Bereich des Körpers die materiellen Aspekte vorhanden – sie sind jedoch nicht so dominant.

Inzwischen wissen wir auch durch die Neurowissenschaft, dass unser Hirn ebenso weitgehend mit Entsprechungs-Ebenen arbeitet. Nur ein einfaches Beispiel: Unser Stammhirn bildet unsere ur-genetische Herkunft ab, also die menschliche Entwicklungsgeschichte vom Einzeller über den Primaten zum heutigen Menschen. Alles ist dort nach wie vor vorhanden.
Warum jedoch sind uns diese so einfachen Zusammenhänge nicht mehr bewusst? Vermutlich weil wir die Fähigkeit zur Selbstwahrnehmung dem Rausch des Lebens geopfert haben. Wenn wir jedoch versuchen, im Einklang mit diesen Entsprechungen zu leben, dann werden wir feststellen, dass es eher gelingt in eine Harmonie mit dem Ganzen zu kommen. Und das meint letztlich Heil-sein.

Gassho
Paul

(Foto: Designed by Freepik)